Zum 23. April



Ich bin mit Christus gekreuzigt. - Gal. 2, 19

Alles, was zum Fleisch gehört, ist nicht nur zum Tode verurteilt, sondern durch die Vereinigung mit Christus wirklich auch gekreuzigt. Jemand meint, bekehrt und gläubig zu sein, er hat auch wirklich angefangen, anders zu leben, er übt das Wort und einige christliche Werke, aber er lebt noch im Geiz oder in der Hoffart, in der Wollust oder im Hass. — Oder er weiß sogar, dass es Sünde ist, rühmt sich aber seiner Freiheit und fährt in seiner Schoßsünde fort; ja, er verteidigt sie und huldigt ihr. — Ein solcher betrügt sich selber und belügt seine Seele, wenn er von seinem Glauben und inneren Frieden redet. Auch wenn jemand ein wahrer Christ geworden ist und wirklich im Geiste angefangen hat, dabei aber nicht fortwährend die Kreuzigung des Fleisches übt, sondern aufs Neue seinen Lüsten die Freiheit gegeben hat und aufs Neue seiner Sünde huldigt und sie verteidigt, hat er im Fleisch vollendet. Der Glaube, der Friede mit Gott und ein gutes Gewissen können nicht neben einer einzigen freigeübten Sünde bestehen. „Wo ihr nach dem Fleisch lebt, so werdet ihr sterben müssen; wo ihr aber durch den Geist des Fleisches Geschäfte tötet, so werdet ihr leben.“ Mit diesen Worten verkündet der Apostel ein bestimmtes Urteil. Er zeigt, dass die Tötung des Fleisches nicht eine Sache ist, die zu tun oder zu lassen in unserer Freiheit steht. Sofern wir das Leben behalten und nicht ewig verlorengehen wollen, müssen wir dieselbe unbedingt üben. Sobald wir zu Christus gekommen sind, müssen wir unverzüglich von dem alten Sündenleben Abschied nehmen und ein neues Leben nach Christus beginnen und dürfen uns nie mehr davon ab- und wieder dem Sündendienste zuwenden.
Es ist ganz merkwürdig zu betrachten, wie es sich bei einem Christen in Wirklichkeit beweist, dass der alte Mensch mit Christus gekreuzigt ist. Wie es ihm unter der Wanderung auch gehen mag, ob besser oder schlechter, so wird sein alter Mensch getötet werden, solange der Geist in ihm wohnt und arbeitet. Als Petrus seinem Meister getreu folgte, wurde der alte Jude täglich in ihm getötet, er wurde immer mehr von seinem früheren Wesen zur Ähnlichkeit mit seinem Herrn Christus verwandelt. Und als er einmal aus Vermessenheit aufgeblasen und daher der Sichtung des Satans überlassen wurde, als er fiel und seinen Heiland verleugnete, da weinte er bitterlich wie ein gezüchtigtes Kind; da wurden seine Eigenliebe und seine Vermessenheit getötet. Als er dann vor dem Rat in Jerusalem fest auf der Wahrheit bestand und Christus bekannte, wurde er gegeißelt; da starb er der Welt, da wurde auch das Fleisch getötet. Als er aber danach in Antiochien aus Menschenfurcht „heuchelte“, erhielt er eine scharfe Bestrafung durch Paulus. — Wie es dem lieben Petrus auch erging, er wurde gezüchtigt und getötet.
Solange ein Christ rechtschaffen ist und seinem Heiland folgt, wird er getötet werden; denn es ist jetzt dahin gekommen, dass die Sünde seine größte Plage ist. — Bin ich reich und dadurch in der Versuchung, mir auf Erden ein Paradies zu bereiten, und fange ich an, das Fleisch zu nähren und weltlich zu leben, dann erhalte ich durch den Geist die stärksten Schläge, werde vor meinem Reichtum und Wohlleben bange und leide darunter mehr, als wenn ich arm wäre. Geht es nicht so, sondern fange ich an, dem Fleische zu huldigen und zu folgen, und mache ich mir gute Tage in der Sinnlichkeit, so führt dies zum eigentlichen Tode. Bin ich arm und leide ich an irdischem Mangel, halte mich aber an den Herrn, dann sterbe ich der Welt an jedem Tage. Bin ich im Geistlichen wirksam und begabt, habe ich Alter und Erfahrung in der Gnade, Licht und Gaben, mehr als die Brüder, und will ich daher Ehre und Ansehen genießen — wehe, das ist Gift! Das fühlt der Geist und mir wird jetzt bange wie vor der Hölle. Bin ich im Gebet und im Kampf gegen die Sünde treu und wachsam, will ich sowohl der Sünde als auch der Ehre entsagen und will ich ernstlich der Geringste sein, — freue mich aber darüber und habe ein geheimes Vergnügen an meinem Ernste, — wehe, das ist die Hölle! Uns müsste angst und bange davor werden! Gebe ich mir dann aber im Gegenteil mehr Freiheit, fleischliche Freiheit, da ja alles Gute mich stolz machen kann, so dass ich nun versäume zu wachen, zu beten und das zu wirken, was gut ist, dann gerate ich geradezu aus der Asche ins Feuer; dann fühle ich meine Schuld und mein Urteil ganz bestimmt! Und werde ich dann durch die Bestrafung aufrührerisch gegen das Evangelium, schlage ich allen Trost von mir und spreche: Ich bin kein Christ, ich darf keine Gnade annehmen; sieh, dann tobt das Fleisch wieder durch den Unglauben; dann erhalte ich keine Ruhe, bevor ich mich nicht zu einem demütigen Annehmen der Gnade, nämlich der Gnade als eitel Gnade züchtigen lasse. — So sehen wir, dass, wie es einem Christen auch geht, er getötet werden soll. Das heißt, mit Christus gekreuzigt sein.
Hier sagst du nun: „Was ist das? Soll ich denn von allen Seiten gestraft und gezüchtigt werden? Was soll ich denn tun? Soll ich in nichts Ruhe haben dürfen?“ Die Antwort kann nur lauten: Ja, aber nur in einem einzigen Punkt — im Herrn! „Wer sich rühmt, der rühme sich des Herrn!“ Wer Ruhe und Freude haben will, der habe sie im Herrn, in Seiner Gerechtigkeit, Güte und Treue. Alle anderen Freuden, allen anderen Ruhm bestraft der Geist sowie das offenbarte Wort. — Ja, so ist das gekreuzigte Leben. Bin ich ruhig am Kreuz, so leide und sterbe ich; bin ich aber nicht ruhig, sondern winde und krümme mich, dann leide ich umso mehr. Hier ist nichts besser, als dem Geiste untertan zu sein, auf Jesus zu blicken und nach dem zu trachten, was droben ist! Das verleihe uns der Herr!
III/452





Diese Tagesandacht stammt aus dem „Täglichen Seelenbrot“ von Carl Olof Rosenius. Die Andachten des gesamten Jahres sind in Buchform hier erhältlich.


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