Zum 17. Dezember



Welchem Ich gnädig bin, dem bin Ich gnädig; und welches Ich Mich erbarme, dessen erbarme Ich Mich. - Röm. 9, 15

Gott ist selbständig und groß, will der Apostel sagen. Kein Mensch hat etwas von Ihm zu fordern. Kein Mensch kann mit Ihm rechten oder Gründe für das fordern, was Er tut. Er gibt Seine Gnade, wem Er will. Auch Jesus spricht davon im Gleichnis von den Arbeitern im Weinberge, indem Er die Antwort hervorhebt, die der Herr des Weinberges einem darüber Murrenden gibt, dass diejenigen, die in der elften Stunde gekommen waren, ebenso viel empfingen wie er, der den ganzen Tag gearbeitet und dessen Last und Hitze getragen hatte. „Mein Freund“, sagt der Hausherr, „ich tue dir nicht unrecht, da du deinen Tagelohn erhieltest. Ich will aber diesem Letzten geben gleich wie dir. Oder habe ich nicht Macht, mit dem Meinen zu tun, was ich will?“ In gleicher Weise werden hier auch die Juden und alle selbstgerechten Menschen nur mit der kurzen Antwort abgewiesen: „Gott spricht: Welchem Ich gnädig bin, dem bin Ich gnädig; und welches Ich Mich erbarme, dessen erbarme Ich Mich.“
Bedenke nun, welch ein unaussprechlich hoher Trost hier allen armen Sündern gegeben wird! Dieser Trost ist auch sehr notwendig. Wir haben alle eine Natur, die ganz in Selbstgerechtigkeit versenkt liegt. Wenn wir auch hundertmal die tiefste Erfahrung davon machten, dass alles in uns verloren und in Christus alles erfüllt ist, fangen wir dennoch jeden Tag aufs Neue an, die Gerechtigkeit in uns selber zu suchen. Wenn wir Gnade empfingen, etwas frömmer zu sein, dann hoffen wir, dass Gott uns gnädig sei. Wenn wir aber unglücklicher waren und eine schwerere Erfahrung unseres Verderbens hatten, dann meinen wir, dass Gott uns zürnen müsse. Wir sind dann niedergeschlagen und fürchten uns vor Ihm, ganz so, als ob Seine Gnade von unserer eigenen Gerechtigkeit abhinge. Gegen diese Torheit helfen keine Erleuchtung und Erfahrung; sie ist eine Krankheit in unserer eigentlichen Natur, der wir nicht entgehen können. Was uns dann aber erhalten soll, so dass wir nicht ganz dem Unglauben folgen, sondern noch im Glauben verbleiben, das ist allein das Wort. Möchten wir darum auch das hier zu betrachtende Wort bewahren und bedenken, in dem der Herr so feierlich erklärt: „Welchem Ich gnädig bin, dem bin Ich gnädig; und welches Ich Mich erbarme, dessen erbarme Ich Mich.“
Es ist vollständig aus und verloren mit aller menschlichen Würdigkeit, sagt der Herr uns hier. „Welchem Ich gnädig bin, dem bin Ich gnädig.“ Nur Meine eigene freie Gnade ist es, wenn Ich Mich über einen Sünder erbarme. Es gibt keinen Menschen, der Meiner Gnade würdig wäre. Ihr seid allesamt verloren, wenn Ich auf euren Wert blicke. In euch ist alles verloren, sündig und verflucht. Was ich tue, das tue ich um Meinetwillen. So spricht Gott. Bei Jesaja 43 spricht der Herr: „Nicht, dass du Mich hättest gerufen, Jakob. Nein, Mir hast du Arbeit gemacht mit deinen Sünden und hast Mir Mühe gemacht mit deinen Missetaten. Ich, Ich tilge deine Übertretungen um Meinetwillen und gedenke deiner Sünden nicht.“
Hier müssen wir nun die Gründe einer solchen freien Gnade etwas tiefer betrachten. Der erste Grund ist dieser, dass alles, was Mensch heißt, unter der Sünde verloren ist; dass „kein Fleisch durch des Gesetzes Werke vor Gott gerecht zu sein vermag“; denn „es ist hier kein Unterschied, sie sind allzumal Sünder.“ Auch der frömmste Christ trägt in seinem Herzen noch die größten Sünden gegen die ersten und vornehmlichsten Gebote und zudem auch eine ganze Menge sündlicher Gedanken, Lüste und Begierden, die allen Geboten Gottes entgegen sind. Wenn es nun mit allen Menschen so bewandt ist, dann war es ja ganz notwendig, dass die Gnade frei und unabhängig von uns sein musste, sofern jemand errettet werden sollte; denn Gott der Herr fand keinen Menschen, dem Er um seiner selbst willen gnädig sein konnte. Darum muss es gewiss so sein, wie Er hier erklärt: „Welchem Ich gnädig bin, dem bin Ich gnädig; und welches Ich Mich erbarme, dessen erbarme Ich Mich.“
Der zweite Grund, weshalb die Gnade Gottes so gänzlich frei ist, ist die Erlösung, die durch Christus Jesus geschehen ist. Um Seiner großen Liebe willen, mit der Gott uns geliebt hat, gab Er Seinen Sohn dahin, um den Sündenfall zu büßen und gutzumachen, um die Sünden aller Menschen auf sich zu nehmen und mit Seinem Leben zu bezahlen sowie um mit Seinem Gehorsam alle Forderungen des Gesetzes zu erfüllen und uns eine vollkommene Gerechtigkeit zu erwerben. Aus diesem Grunde ist die Gnade Gottes so frei, dass Gott ganz und gar nicht auf das Verdienst oder auf die Sünden eines Menschen blickt, wenn es die seligmachende Gnade gilt, sondern dass Er stets mit allen denjenigen vollkommen zufrieden ist, die in die Gerechtigkeit Christi gekleidet sind, und zwar zu allen Zeiten, sowohl in den guten als auch in den schlimmen. Weil wir vor Gott nur in der Gerechtigkeit Christi gerecht und frei von dem Gesetz sind, so sind wir auch zu allen Zeiten gerecht und frei von aller Verdammnis, solange wir in Christus sind.
Wenn Gott noch auf unsere Würdigkeit blicken würde, dann wäre die Gerechtigkeit nicht in Christus allein. Solches sagt der Herr uns in dieser feierlichen Erklärung: „Welchem Ich gnädig bin, dem bin Ich gnädig; und welches Ich Mich erbarme, dessen erbarme Ich Mich.“
Römerbrief

Dem Lamm, das mit Blut unsre Seelen erworben,
Dem Freund, der aus Liebe für uns ist gestorben
Und hat uns erwählet, demselben zu Ehren
Sprech alles Volk Amen und lobe den Herren.




Diese Tagesandacht stammt aus dem „Täglichen Seelenbrot“ von Carl Olof Rosenius. Die Andachten des gesamten Jahres sind in Buchform hier erhältlich.


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